Review in INTRO magazine/GERMAN   (Read)

Pluramon war schon immer ein Projekt mit kleinen Widerhaken: Postrock, Elektronik und Avantgarde im Remix, mit experimenteller Raffinesse und erlesenen Gastmusikern – Marcus Schmickler, der Elektroakustiker und Komponist aus Köln, hält seine Schnittstelle zu Pop und Songwriting gut am Laufen. Sie ist ambivalent und wächst mit zunehmender Betriebsdauer immer mehr über sich hinaus. “Dreams Top Rock”, die letzte Pluramon-LP, überraschte ja schon mit diesem abartig schönen Comeback von Julee Cruise, von der wir seit “Twin Peaks”-Tagen eigentlich nichts mehr gehört hatten; nun konkretisiert “The Monstrous Surplus” diesen fragilen, referenzbehafteten Moment.

Eine Flut aus schwelgerischen Gitarren, morbide und flächig wie zu besten Shoegazer-Zeiten, umgibt blueprintesk den Sirenengesang, und es ist nicht nur Cruise, die da singt: Auch Schauspielerin Julia Hummer und Jutta Koether, Schriftstellerin und Spex-Autorin der ersten Generation, heute in New York lebend, konnten für die Arbeit an “The Monstrous Surplus” gewonnen werden. Mit “Border”, dem Schmickler/Hummer-Duett, ist gleich zu Beginn ein echter Knaller an Bord, und – wie gut – es folgen weitere. Hummer und Cruise liefern sich ein wahres Battle um die goldene Stimmgabel der gebrochenen Laszivität, doch ihre vielschichtig narrativen Lyrics verhindern, gemeinsam mit Jutta Koethers kantigen Spoken Words, dass wir in diesem Meer aus traurig-süßer Euphorie ertrinken. Dabei schlingern und heulen die Gitarren so was von schön. Es mag nahe liegend sein, “The Monstrous Surplus” als opulent inszenierte Reprise auf den flüchtig brennenden Zauber einer Musik abzustempeln, deren Primetime fast schon zwei Jahrzehnte zurückliegt, doch so einfach ist es nicht, und war es wohl noch nie, bei Pluramon. “Force of form, my living painting, I’m terrible, I’m lost, sexed up, sexed down – desire is war”: Man hört es nicht sofort, doch diese Platte will bestimmt nicht wie Butter in der Sonne schmelzen.

Hendrik Kröz in INTRO 154

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